Auch für Schriftdolmetscher*innen hat sich in ihrer Arbeit seit dem ersten Lockdown im März 2020 Vieles geändert. Wir wollten deshalb wissen, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie auf die Arbeit der Schriftdolmetscher*innen konkret hat.
Dazu hat der Bundesverband der Schriftdolmetscher*innen Deutschlands e.V. (BSD) eine Online-Befragung durchgeführt.
Der Aufruf zur Teilnahme erfolgte über die Landesverbände des BSD und erreichte auch nicht im Verband organisierte Schriftdolmetscher*innen.
An der Umfrage haben 36 Personen teilgenommen, davon sind 24 in einem Landesverband des BSD organisiert. Dies entspricht ca. 25 Prozent aller im Verband organisierten Schriftdolmetscher*innen.
Befragungszeitraum war vom 21.12.2020 bis 31.01.2021.
Was wollten wir wissen?
Uns war klar, dass sich durch die Pandemie große Veränderungen für die tägliche Arbeit der Schriftdolmetscher*innen ergeben haben. Deshalb haben wir die folgenden drei Themenbereiche in die Befragung aufgenommen.
- Auswirkungen auf Präsenzeinsätze
- Veränderungen und Herausforderungen beim Online-Dolmetschen
- Finanzielle Auswirkungen
Auswirkungen auf Präsenzeinsätze:
Präsenzeinsätze vor Ort (z.B. Universität, berufliche Begleitung und öffentliche Veranstaltungen) finden überwiegend nicht mehr statt. 90 Prozent der Antwortenden gaben an, dass sie seit März 2020 weniger als 25 Prozent ihrer Einsätze in Präsenz erbringen.
Bei den wenigen Präsenzeinsätzen, die möglich waren, wurde die Qualität der Hygienemaßnahmen durch die Dolmetscher*innen unterschiedlich beurteilt.
Nur etwa die Hälfte der Befragten gab an, dass sie sich vor Ort sicher und geschützt fühlten. Die andere Hälfte kritisierte die bestehenden Hygienekonzepte oder deren mangelhafte Umsetzung.
Veränderungen und Herausforderungen beim Online-Dolmetschen:
Die Zahl der Online-Einsätze hat deutlich zugenommen und die Mehrheit der Schriftdolmetscher*innen hat sich damit „arrangiert“. Über 60 Prozent gaben aber an, dass sie das Online-Dolmetschen als anstrengender und belastender empfinden als die Einsätze in Präsenz. Gründe hierfür liegen in der höheren auditiven und kognitiven Belastung und der Vielzahl an unterschiedlichen technischen Systemen, mit denen sie konfrontiert wurden.
Auch mangelndes technisches Know-How auf Seiten von Kund*innen und Veranstalter*innen führt zu einer höheren Belastung der Schriftdolmetscher*innen, die im Vorfeld von Einsätzen und auch währenddessen regelmäßig technischen Support leisten müssen.
Die finanziellen Auswirkungen:
Die finanziellen Auswirkungen durch die Corona-Pandemie waren für die Teilnehmer*innen an der Befragung enorm. Mehr als die Hälfte gab an, dass sie Corona-Hilfen und/oder sonstige staatliche Unterstützungsleistungen wie Grundsicherung oder Kurzarbeitergeld beantragt und erhalten haben.
65 % der Antwortenden erzielten in 2020 weniger Umsatz als in 2019. Diese Entwicklung hängt mit einem Wegfall von Einsätzen insgesamt zusammen, aber auch mit der Verlagerung in den Online-Bereich. Durch die Vielzahl an Online-Einsätzen verschiebt sich das Verhältnis von bezahlten Einsatzzeiten zu unbezahlten Arbeitszeiten. Während Vorbereitungszeit und technischer Abstimmungsaufwand zunehmen, werden die bezahlten Einsatzzeiten kürzer und bezahlte Reisezeiten entfallen komplett.
Die wirtschaftlichen Erwartungen der Schriftdolmetscher*innen für 2021 sind unterschiedlich. Einige sind verhalten optimistisch, andere sehr skeptisch. Eine Person gibt an, dass sie in 2020 den Beruf als Schriftdolmetscher*in aufgegeben hat, eine weitere Person denkt konkret darüber nach.
Den Vorstandmitgliedern des Bundesverbandes und der Landesverbände sind allerdings weitere Kolleg*innen bekannt, die den Beruf während der Pandemie bereits aufgegeben haben und deshalb von dieser Umfrage nicht mehr erreicht wurden.
Was folgern wir aus den Ergebnissen?
Die Verwerfungen durch die Corona-Pandemie waren auch für den Berufsstand der Schriftdolmetscher*innen erheblich. Vor allem die wirtschaftlichen Konsequenzen haben uns in dieser Deutlichkeit überrascht.
Für viele bedeutete Corona nicht nur Verdienstausfall durch den Wegfall von Einsätzen, vor allem in der ersten Welle, sondern auch Senkung der operativen Marge. Die Verlagerung in den Online-Bereich bedeutet einen höheren zeitlichen Aufwand verbunden mit einer geringeren Bezahlung. Es ist zu erwarten, dass wir auch nach der Pandemie nicht im gleichen Umfang zu Präsenzterminen zurückkehren werden wie vor März 2020.
Wir befürchten daher, dass der Beruf an Attraktivität verliert und dadurch zukünftig weniger Schriftdolmetscher*innen zur Verfügung stehen werden.
Berlin, im April 2021