Schriftdolmetscher*in Werden – Wie Man die Richtige Ausbildung Finden Kann

Du möchtest Schriftdolmetscher*in werden? Drei Fragen helfen dir bei der Auswahl der passenden Weiterbildung.

Schriftdolmetschen ist ein toller Beruf. Du kommst viel herum oder arbeitest konzentriert vom eigenen Schreibtisch aus – deine Entscheidung. Du hast den ganzen Tag mit spannenden Themen und interessanten (und netten!) Menschen zu tun. Und in den meisten Fällen siehst du direkt, welche Wirkung deine Arbeit hat. Kein Wunder, dass der häufigste Anfragetyp, den wir als Berufsverband der Schriftdolmetscher*innen Deutschlands bekommen, mit den Ausbildungsmöglichkeiten zu tun hat.

Als Berufsverband können und wollen wir allerdings keine Empfehlungen zu einzelnen Weiterbildungs-Anbietern abgeben, zumal auch einige unserer Mitglieder Weiterbildungen anbieten. Aber wir wissen aus eigener langjähriger Erfahrung und aus Gesprächen mit unseren Kolleg*innen, worauf es bei der Auswahl eines Anbieters ankommt.

Drei einfache Fragen helfen dir weiter:

Frage 1: Endet die Weiterbildung mit einer Prüfung und bekomme ich, wenn ich bestehe, ein – möglichst in ganz Deutschland – anerkanntes Zertifikat?

Die erste Frage, die du stellen solltest, bezieht sich tatsächlich nicht auf den Kursinhalt, sondern auf das Zertifikat, das am Ende des Kurses steht. Ohne anerkanntes Zertifikat ist nämlich alles nichts.Und wenn man (auch) online arbeiten möchte, ist ein Zertifikat, das nur in einer bestimmten Region anerkannt ist, nicht ausreichend.

Tatsächlich gibt es immer wieder Einsätze für privatwirtschaftliche Kunden, aber in der Regel wird unsere Arbeit von sozialen Trägern als Kostenträgern finanziert: im Bildungsbereich (Schule, Hochschule, Ausbildung), im Arbeitsleben (dazu gehören auch Weiterbildungen), bei Ämtern und im Gesundheitswesen. Diese Kostenträger geben Stundensätze in Abhängigkeit von Qualifikationsstufen vor. Die Mindestvoraussetzung ist das „anerkannte Zertifikat“. Ohne dieses wird in den meisten Fällen gar nichts bezahlt. Und natürlich erwarten auch privatwirtschaftliche Kund*innen, dass alle, die sich „Schriftdolmetscher*in” nennen, sich im branchenüblichen Rahmen für diesen Beruf qualifiziert haben.

Als „anerkannt“ gilt ein Zertifikat dann, wenn es auf der Liste der BIH, der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen, steht. Diese Liste findet man in den Merkblättern mit den Konditionen für Schrift- und Gebärdensprachdolmetscher*innen, die von den Bundesländern herausgegeben werden. Auf den aktuellen, uns vorliegenden Merkblättern finden sich neben einigen Anbietern, die es so nicht mehr gibt oder die nicht mehr in der Schriftdolmetscherausbildung tätig sind

  • der Deutsche Schwerhörigenbund e. V. (DSB)
  • die Kombia GbR
  • und in einigen Bundesländern auch das SDI München.

Termine für den jeweils nächsten geplanten Weiterbildungsgang finden sich auf den Webseiten der Anbieter.

Frage 2: Beinhaltet die Weiterbildung alles, was ich brauche, um als Schriftdolmetscher*in zu starten?

Schriftdolmetschen ist in einem gewissen Maß ein Handwerk, das Routine erfordert. Griffsicherheit (bei der Tastatur-Methode) und die richtige Sprechtechnik (für die Arbeit mit sprecherabhängiger Spracherkennung) kann und muss regelmäßig trainiert werden. Die Entwicklung eines ausreichenden Makro- und Kürzelvokabulars nimmt einige Zeit in Anspruch (und hört ein Berufsleben lang nie auf). Und auch der Technik-Aufbau in unterschiedlichen Settings unter Zeitdruck und mit Ablenkung muss wieder und wieder geübt werden, damit man in der echten Einsatz-Situation entspannt dolmetschbereit ist, wenn es losgehen soll.

Erfahrungsgemäß dauert es rund neun Monate, bis man ein Niveau erreicht hat, das praxistauglich ist. In dieser Zeit finden nicht nur die Kontaktzeiten und das Selbststudium, vor allem in Form von Trainings, statt, sondern auch reflektierte Praktika, begleitet von erfahrenden Schriftdolmetscher*innen. Vor allem diese Praktikumseinsätze sowie ausreichend hohe Prüfungsanforderungen tragen dazu bei, dass man im Anschluss mit dem notwendigen Selbstbewusstsein in echte Einsätze starten kann. Darüber hinaus lassen sich im Rahmen von Praktika erste Kontakte und Netzwerke aufbauen, die später wichtig sind, um einen Einstieg in den Beruf zu finden.

Wir möchten an dieser Stelle kein komplettes Curriculum vorgeben. Translations- und Sprachwissenschaft gehört auf jeden Fall ebenso dazu wie Berufskunde, rechtliche und betriebswirtschaftliche Grundlagen.

Ganz wichtig ist die Frage, ob und wie unsere Nutzer*innen in den jeweiligen Kurs mit eingebunden sind. Schriftdolmetscher*innen ermöglichen Kommunikation zwischen Menschen mit Fokus auf die Bedürfnisse und Bedarfe von Menschen mit Hörbeeinträchtigung. Im Sinne von „Nichts über uns ohne uns“ als Grundpfeiler nicht nur repräsentativer Demokratie, sondern insbesondere auch der UN-Behindertenrechtskonvention, sollten Themen wie Hörschädigung, Kommunikation mit Hörgeschädigten, Hörgeschädigten-Psychologie und Geschichte der Hörschädigung in Deutschland/Europa/weltweit von den Betroffenen selbst als Experten in eigener Sache vermittelt werden. Dazu gehört auch das Feedback zur individuellen Dolmetschleistung direkt von Nutzer-Seite. Nur von unseren Nutzer*innen können wir lernen, wie unsere Arbeit tatsächlich Nutzen bringen kann.

Frage 3: Wer leitet die Weiterbildung und welche Qualifikationen bringen die Dozent*innen mit?

Wann und von wem wurden das Curriculum und die Unterrichtsinhalte entwickelt? Welche formale didaktische Qualifikation haben die Menschen, die hinter diesem Angebot stehen? Wie lange sind oder waren sie als Schriftdolmetscher*innen tätig? Werden die Unterrichtsinhalte regelmäßig überprüft und überarbeitet? Gibt es Peer Reviews oder einen Beirat?

Es gibt immer Spezial- und Einzelthemen, für die man Gastdozent*innen einladen kann, die für dieses eine Thema eine Expertise haben, ohne ausgebildete Dozent*innen zu sein. Das Kern-Team hingegen sollte mindestens fünf Jahre Berufserfahrung im Schriftdolmetschen (bzw. in der Peer-Beratung im Bereich Hörschädigung, Audiologie o. ä.) sowie eine formale didaktische Qualifikation mitbringen, um eine fundierte und praxisnahe Ausbildung zu gewährleisten.

Welche konkrete Weiterbildung letztendlich zu dir und für dich passt, ist eine ganz individuelle Entscheidung. Dazu gehört neben transparenten Antworten auf die obigen drei Fragen auch ein gutes Bauchgefühl nach einem Kennenlerngespräch mit dem Anbieter. Und nicht zuletzt: Sprich mit anderen Schriftdolmetscher*innen und frag nach ihren Erfahrungen und Empfehlungen! Eine Liste von qualifizierten und aktiven Schriftdolmetscher*innen findest du auf unserer Website: bsd-ev.org/register.